Forscher entwickeln künftigen Flugkraftstoff aus Paradeisern
Flugzeugtreibstoff ist kein Paradeissaft - oder doch? Geht es nach den Visionen von Forschenden der TU Graz, dann dürfte Kraftstoff für Flugzeuge in Zukunft ein ganzes Stück nachhaltiger werden - mit Resten aus dem Paradeiseranbau und deren Verarbeitung. Das Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik leitet das neue Bioraffineriekonzept, das Tomatenreste zu nachhaltigem Flugkraftstoff verwandeln soll, teilte die TU Graz am Donnerstag mit.
Ob als Salat, Mark, Ketchup oder Sugo - nach Erdäpfeln sind Paradeiser das weltweit zweithäufigste konsumierte Gemüse und moderne Technologien und Gewächshäuser ermöglichen es, dass es ganzjährig frische Früchte gibt. China, Indien, die Türkei und die USA sind mittlerweile die zentralen Produktionsländer des Gemüses, das künftig auch abseits der Ernährungssparten an Beliebtheit gewinnen könnte.
Mengen an Restbiomasse aus Gewächshausanbau
Bei der Paradeiserproduktion in Gewächshäusern fallen große Mengen an Restbiomasse an - Blüten, Blätter und Stängel - und bei der Verarbeitung oft auch noch die Schalen, Samen und nicht zu vergessen die Exemplare von ungenügender Qualität. Bisher wurden diese Reste größtenteils als Agrarabfall verbrannt oder entsorgt.
Gleichzeitig hängt das Ziel der europäischen Klimaneutralität und die Verringerung von CO2-Emissionen des Luftfahrtsektors ganz wesentlich an der Produktion nachhaltiger, konkurrenzfähiger Flugtreibstoffe (Sustainable Aviation Fuels - SAF) aus erneuerbaren Rohstoffen ab.
Aus den Rückständen der Tomatenverarbeitung ließen sich Schätzungen zufolge rund drei Prozent der bis 2030 in Europa benötigten SAF decken,
Sie leitet das aus EU-Mitteln geförderte Projekt "ToFuel", das sich in den kommenden vier Jahren auf die Umwandlung von Abfallströmen aus der Paradeiserproduktion zur nachhaltigen Herstellung von Treibstoff für Flugzeugtriebwerke konzentriert.
Von Pflanze und Frucht zum Öl
Damit aus Paradeiserresten ein hochwertiger Treibstoff entstehen kann, muss die Biomasse zuerst so aufbereitet werden, dass Mikroorganismen sie effizient verwerten können. Das mit EU-Geldern geförderte Projekt "ToFuel" beschäftigt sich mit zwei modernen Fraktionierungstechnologien:
Bei der sogenannten Extrusion wird die Biomasse mit Wärme und Druck behandelt und anschließend durch einen abrupten Druckabfall in ihre zellulären Bestandteile aufgebrochen. So kann eine optimal aufgeschlossene Biomasse für die folgende Fermentation entstehen, bei der Mikroorganismen schließlich fettähnliche Substanzen (Lipide) produzieren. Diese können dann zu Flugtreibstoff verarbeitet werden.
Die zweite Technologie ist die hydrothermale Verflüssigung. Dabei wird die Biomasse unter Luftabschluss, hohem Druck und hohen Temperaturen in Bioöl und Biokohle umgewandelt. Doch bevor das Bioöl zu Treibstoff für Flugzeuge veredelt werden kann, muss es von vorwiegend stickstoffhaltigen Stör-Ionen gereinigt werden. Diese würden sonst die folgende Umwandlung in einen nachhaltigen Flugtreibstoff negativ beeinflussen.
Bioraffineriekonzept in Kooperation
Die biotechnologischen sowie Fraktionierungs-, und Reinigungsprozesse entwickeln das Laboratório Nacional de Energia e Geologia (LNEG) in Lissabon, die TU Graz und die Universität Zagreb in enger Kooperation. Anschließend werden die Lipide und das Bioöl an der Montanuniversität Leoben in einen Treibstoff umgewandelt (HEFA-Prozess), der die internationalen Qualitätsstandards für nachhaltigen Flugtreibstoff erfüllt. Die im Projekt entwickelten Verfahren möchte man Schritt für Schritt auf einen größeren Maßstab hochskalieren und umfassend testen.
Unser klares Ziel ist es, nachhaltigen Flugkraftstoff auf Basis von Tomatenresten zu einem konkurrenzfähigen Verkaufspreis zu produzieren. Nachhaltige Flugzeugtreibstoffe müssen sich letztendlich einfach auch wirtschaftlich lohnen.
Zusätzlich analysiert das Projektteam die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Technologien.
Elf europäische Partnerinstitutionen
Insgesamt elf Partner aus sieben europäischen Ländern arbeiten am Projekt mit. Neben der TU Graz, der Montanuni Leoben und dem portugiesischen Forschungsinstitut LNEG arbeiten u. a. die Universität Zagreb, die TU Wien, die Technische Universität Lappeenranta in Finnland und die Fraunhofer-Gesellschaft mit. Die Industriepartner Mutti und Podravka stellen Paradeiserreste bereit und bringen ihr Know-how in der Tomatenverarbeitung ein.
Das Projektbudget auf vier Jahre beträgt 3,5 Millionen Euro, eine Million davon entfällt an die Konsortialführerin TU Graz. Im Rahmen des Projekts sollen mindestens sechs künftige Doktoren, zwölf Master- und 15 Bachelorstudierende ausgebildet werden.